SPINOPTOELEKTRONIK
Die fortschreitende Miniaturisierung von Mikroprozessoren und anderen integrierten elektronischen Schaltungen führt zu immer höheren Zahlen und größeren Dichten der Bauelemente in diesen integrierten Schaltungen. Die extrem kleinen Abmessungen führen dazu, dass eine Beschreibung dieser Bauelemente nur noch quantenmechanisch möglich ist. Die weitere Miniaturisierung der Bauelemente führt dazu, dass parasitäre Effekte immer größeren Einfluss auf das Verhalten der Schaltungen haben und die eigentliche Funktion mehr und mehr unmöglich machen. Die Spintronik versucht, die quantenmechanischen Eigenschaften miniaturisierter Bauelemente auszunutzen, um die Funktionalität klassischer Elektronik zu verbessern und zu erweitern. Dabei wird als Informationsträger nicht, wie in der Elektronik, die Ladung des Elektrons, sondern sein Spin, eine rein quantenmechanische Eigenschaft ausgenutzt. Anders als die Ladung ist der Spin keine Erhaltungsgröße und strebt daher zum Gleichgewichtszustand und die Information geht verloren.
Die Spinoptoelektronik wendet das Konzept der Spintronik auf optische Bauelemente an. Dabei ergeben sich neuartige Effekte, welche die Performance von spinoptoelektonischen Bauelementen gegenüber konventioneller Optoelektronik deutlich verbessern können.
Unsere Forschung beschäftigt sich einerseits mit effizienter Spininjektion und -detektion bei Raumtemperatur und in magnetischer Remanenz, andererseits auch mit der Erforschung von Spineffekten in konventionellen Halbleiterlasern. Dabei liegt das Hauptaugenmerk immer bei anwendungsnaher Entwicklung von Bauelementen, die ohne cryogene Kühlung und starke externe Magnetfelder funktionstüchtig bleiben.
Im Rahmen der Untersuchung von Spininjektion und -detektion ist es uns gelungen, mit Hilfe einer Probenserie die Spinrelaxationslänge, also den für den Abfall der Polarisation relevanten Transportpfad, sowohl temperatur- als auch magnetfeldabhängig zu bestimmen. Im Gegensatz zu vielen anderen Experimenten finden unsere Untersuchungen unter realen, anwendungsnahen Bedingungen in funktionierenden Spin-LEDs statt. Dabei zeigt sich, dass die Spintransportlänge bei Raumtemperatur und in Remanenz bei unter 30 nm liegt, jedoch unter externen Magnetfeldern auf bis zu 50 nm bei 2 T ansteigt, und bei Temperaturen von 30 K Werte von 80 nm erreicht. Dies zeigt, dass weitere Optimierungen von Spinbauelementen unter Anwendungsbedingungen stattfinden müssen, da die Bedingungen hier deutlich anders sind als unter üblichen Laborbedingungen [1-3,13].
Besonders relevant für Anwendungen wie beispielsweise die optische Datenübertragung sind jedoch nicht LEDs, sondern Laser. Für die Kurzstrecken-Datenübertragung innerhalb von Rechenzentren wird typischerweise der oberflächenemittierene Halbleiterlaser (VCSEL) eingesetzt. Der VCSEL eignet sich besonders für die Verwendung als spin-Laser, da sich aufgrund seiner vertikalen Geometrie Vorteile bei der Konversion des Ladungsträger-Spins in die optische Polarisation ergeben. Um Daten zu übertragen wird nun nicht mehr die Intensität moduliert, sondern die Polarisation. Wir konnten in diversen Studien zeigen, dass die Resonanzfrequenz der Polarisationsdynamik entkoppelt ist von der Resonanzfrequenz der Intensitätsdynamik [4,5,9,11,13,16], sodass sich andere Strategien zur Steigerung der Modulationsgeschwindigkeit nutzen lassen. Diese Steigerung ist möglich mit Hilfe von Verspannung: Über den Elasto-Optischen Effekt kann die Doppelbrechung im Laserresonator beeinflusst werden, welche der Hauptfaktor bei der Manipulation der Modulationsgeschwindigkeit im Spin-VCSEL ist [9]. Um möglichst hohe Doppelbrechung zu erreichen wurden verschiedene Strategien untersucht. Dabei konnte die typische Doppelbrechung unter Verwendung einer mechanisch eingebrachten Verspannung von typischerweise wenigen GHz bis auf über 250 GHz gesteigert werden [8]. Es wurden auch integrierte Methoden entwickelt, mit deren Hilfe die Doppelbrechung über einen elektrischen Strom kontrolliert [10] oder über speziell optimierte Oberflächengitter direkt beim Fertigungsprozess des VCSELs integriert werden kann [12].
Wir konnten experimentell zeigen, dass die Polarisationsdynamik in einem Spin-VCSEL mit solch hoher Doppelbrechung mindestens 212 GHz erreichen kann [11]. Das ist 27mal schneller als die Intensitätsdynamik im selben Laser. Gleichzeitig ergeben sich zwei weitere Vorteile: Intensitätsmodulierte Laser werden typischerweise bei maximalem Arbeitsstrom betrieben, damit die höchsten Modulationsfrequenzen erreicht werden können. Dies führt zu hoher Energieaufnahme und hohen Abwärmeverlusten. Beim Spin-VCSEL hingegen ist die maximale Modulationsfrequenz entkoppelt vom Arbeitspunkt des Lasers, sodass die höchsten Modulationsfrequenzen bereits bei extrem geringer Energieaufnahme erreicht werden können [11].
Ein weiterer Vorteil liegt in der Unabhängigkeit der Polarisationsdynamik von der Temperatur des Lasers [16]. Dies kann zusätzlichen Kühlungsaufwand einsparen. Der Spin-VCSEL bietet somit immense Vorteile bei der Verwendung für optische Datenübertragung im Vergleich zur aktuellen Technik. Der ultraschnelle Spin-VCSEL wurde nicht nur experimentell untersucht, sondern es konnte auch eine hervorragende Übereinstimmung zu Simulationsergebnissen mit dem Spin-Flip-Modell erzielt werden, insbesondere durch die Generalisierung des Modells mittels Anpassung an den Arbeitsbereich bei besonders hohen Doppelbrechungen [11,17]. Dies ermöglicht weitreichende theoretische Vorabuntersuchungen, welche das tatsächliche Verhalten des Lasers ohne Experiment berechnen können. Nicht nur Resonanzoszillationen konnten durch das Modell ausgezeichnet reproduziert werden [4-6, 9, 11], sondern auch kontinuierliche Modulation [11] und sogar das Schalten von Resonanzoszillationen nach beliebiger Anzahl von Oszillationsperioden [7].
Die Spininjektion in den Spin-VCSEL wurde bisher optisch durchgeführt. Dies erfordert die Verwendung zusätzlicher Laser und optischer Aufbauten, sodass der Vorteil eines kleinen und integrierten optischen Bauelements verloren geht. Daher muss für die Anwendung im Rechenzentrum die optische Spininjektion durch elektrische Spininjektion ersetzt werden.
Zu Abbildung 3: Ultraschnelle Polarisationsdynamik im Spin-VCSEL für Modenaufspaltungen von 112 GHz (a) und 212 GHz (b). Die Spektren I zeigen die gemessene Modenaufspaltung. Die Zeitverläufe S±Meas stellen die gemessenen zirkularen Intensitäten dar, aus denen der zirkulare Polarisationsgrad PC bestimmt werden kann. Dieser weist jeweils eine Oszillation mit der durch die Modenaufspaltung vorgegebenen Frequenz auf. S±Sim zeigt mittels des generalisierten Spin-Flip-Modells berechnete Verläufe mit hervorragender Übereinstimmung zum Experiment. Die Frequenz f~R der Oszillation in PC, also die Resonanzfrequenz der Polarisationsdynamik, kann mittels der Modenaufspaltung eingestellt werden (c). Aus [11]: M. Lindemann, G. Xu, T. Pusch, R. Michalzik, M. R. Hofmann, I. Žutić und N. C. Gerhardt, Ultrafast spin-lasers, Nature 568, 212 (2019).
Dies birgt jedoch die bereits im Zusammenhang mit der Spin-LED beschriebenen Herausforderungen: Ein Spin-VCSEL mit elektrischer Spininjektion konnte bisher noch nicht bei Raumtemperatur demonstriert werden, da die Injektionspfadlänge zwischen den Injektionskontakten und der aktiven Zone derartig lang ist, dass sie von den spinpolarisierten Ladungsträgern nur überwunden werden kann, wenn die Spinlebensdauer durch starke Kühlung verlängert wird. Wir haben daher eine Bauelement-Architektur vorgeschlagen, mit deren Hilfe die Injektionspfadlänge signifikant verkürzt werden kann, sodass auch ein Betrieb bei Raumtemperatur möglich wird [14,15]. Dieses Konzept umfasst die Verwendung eines hochreflektiven Oberflächengitters anstelle des oberen Bragg-Spiegels, das die elektrischen Spininjektionskontakte enthält. Der Spin-VCSEL stellt somit eine vielversprechende Alternative zur konventionellen Datenübertragungstechnik dar, die eine Größenordnung schnellere Bandbreite und eine Größenordnung geringere Energieaufnahme verspricht.
Referenz:
- [1] Henning Soldat, Mingyuan Li, Arne Ludwig, Astrid Ludwig, Frank Stromberg, Heiko Wende, Werner Keune, Dirk Reuter, Andreas D. Wieck, Nils C. Gerhardt, Martin R. Hofmann, Magnetic field dependence of the spin relaxation length in spin light-emitting diodes, Applied Physics Letters 99 (5), 051102 (2011)
- [2] Henning Höpfner, Carola Fritsche, Arne Ludwig, Astrid Ludwig, Frank Stromberg, Heiko Wende, Werner Keune, Dirk Reuter, Andreas D. Wieck, Nils C. Gerhardt, Martin R. Hofmann, Magnetic field dependence of the spin relaxation length in spin light-emitting diodes, Applied Physics Letters 101 (11), 112402 (2012)
- [3] A. Ludwig, B. Sothmann, Henning Höpfner, Nils C. Gerhardt, J. Nannen, T. Kümmell, J. König, Martin R. Hofmann, G. Bacher, A.D. Wieck, Quantum dot spintronics: fundamentals and applications, in H. Zabel and M. Farle (eds.), Magnetic Nanostructures, Springer Tracts in Modern Physics 246, 235 (2013)
- [4] Mingyuan Li, Hendrik Jähme, Henning Soldat, Nils C. Gerhardt, Martin R. Hofmann, Thorsten Ackemann, Birefringence controlled room-temperature picosecond spin dynamics close to the threshold of vertical-cavity surface-emitting laser devices, Applied Physics Letters 97 (19), 191114 (2010)
- [5] Nils C. Gerhardt, Mingyuan Li, Hendrik Jähme, Henning Höpfner, Thorsten Ackemann, Martin R. Hofmann, Ultrafast spin-induced polarization oscillations with tunable lifetime in vertical-cavity surface-emitting lasers, Applied Physics Letters 99 (15), 151107 (2011)
- [6] Nils C. Gerhardt and Martin R. Hofmann, Spin-Controlled Vertical-Cavity Surface-Emitting Lasers, Advances in Optical Technologies 2012, 268949 (2012)
- [7] Henning Höpfner, Markus Lindemann, Nils C. Gerhardt, and Martin R. Hofmann, Controlled switching of ultrafast circular polarization oscillations in spin-polarized vertical-cavity surface-emitting lasers, Applied Physics Letters 104, 022409 (2014)
- [8] Tobias Pusch, Markus Lindemann, Nils C. Gerhardt, Martin R. Hofmann and Rainer Michalzik, Vertical-cavity surface-emitting lasers with birefringence splitting above 250 GHz, Electronics Letters 51, 1600 (2015)
- [9] Markus Lindemann, Tobias Pusch, Rainer Michalzik, Nils C. Gerhardt, and Martin R. Hofmann, Frequency tuning of polarization oscillations: Toward high-speed spin-lasers, Applied Physics Letters 108, 042404 (2016)
- [10] Tobias Pusch, Eros La Tona, Markus Lindemann, Nils C. Gerhardt, Martin R. Hofmann, and Rainer Michalzik, Monolithic vertical-cavity surface-emitting laser with thermally tunable birefringence, Applied Physics Letters 110, 151106 (2017)
- [11] Markus Lindemann, Gaofeng Xu, Tobias Pusch, Rainer Michalzik, Martin R. Hofmann, Igor Žutić and Nils C. Gerhardt, Ultrafast spin-lasers, Nature 568, 212 (2019)
- [12] Tobias Pusch, Pierluigi Debernardi, Markus Lindemann, Friederike Erb, Nils C. Gerhardt, Martin R. Hofmann and Rainer Michalzik, Vertical-cavity surface-emitting laser with integrated surface grating for high birefringence splitting, Electronics Letters 55, 1055 (2019)
- [13] Igor Zutic, Jeongsu Lee, Christian Gothgen, Paolo E. Faria Junior, Gaofeng Xu, Guilgheme M. Sipahi, Nils C. Gerhardt, “Chapter 16 – Semiconductor Spin-Lasers”, Spintronic Handbook: Spin Transport and Magnetism, Volume 3: Nanoscale Spintronics and Applications, 2. Ed., edited by E.Y. Tsymbal and I. Zutic, (2019)
- [14] Patent: Markus Lindemann, Martin R. Hofmann, Nils C. Gerhardt, WO002019170517A1 (2019)
- [15] Markus Lindemann, Ultraschnelle Spin-Laser (Springer), 2020
- [16] Markus Lindemann, Natalie Jung, Pascal Stadler, Tobias Pusch, Rainer Michalzik, Martin R. Hofmann, and Nils C. Gerhardt, Bias current and temperature dependence of polarization dynamics in spin-lasers with electrically tunable birefringence, AIP Advances 10, 035211 (2020)
- [17] Igor Žutić, Gaofeng Xu, Markus Lindemann, Paulo E. Faria Junior, Jeongsu Lee, Velimir Labinac, Kristian Stojšić, Guilherme M. Sipahi, Martin R. Hofmann, Nils C. Gerhardt, Spin-lasers: spintronics beyond magnetoresistance, Solid State Communications 316, 113949 (2020)
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