Explodierende Kondensatoren
1994 wurde der Electronic Workshop an der Fakultät ETIT auf Studierenden-Initiative hin gegründet – und fast 30 Jahre später konnte Ralf Brunnert, Alumnus und Gründungsmitglied, sich davon überzeugen, dass sich der Aufwand gelohnt hat. Während seines persönlichen Besuchs im August tauschte er sich in lockerer Atmosphäre mit den Studierenden aus, die zurzeit den EWS leiten, und teilte mit ihnen Geschichten aus den Anfängen:
„Der EWS war dazu gedacht, praktische Arbeit an der RUB zu ermöglichen. Dazu gehörten auch praktische Fehler. Zunächst mussten wir aber eine Brücke zwischen der reinen Theorie und der Praxis bauen.“, erzählt Ralf, „Das taten wir in Form von Kursen, in denen einige Arbeiten bewusst so gestaltet waren, dass sie in der Theorie hätten funktionieren müssen. In der Praxis taten sie jedoch nicht, was der Schaltplan vermuten ließ.“
Reale Elektrolyt-Kondensatoren sind recht empfindlich, wenn man sie in der Praxis falschherum betreibt. Der EWS-Leiter, den Ralf einstellte, entwickelte deshalb eine einprägsame Lerneinheit. Als Merkhilfe wurde am Ende eines Kurses ein sehr langes Kabel an einen Kondensator gelötet und vor dem Hörsaal deponiert. Dann wurde das Kabel falsch gepolt an ein Netzteil angeschlossen. Der laute Knall und die imposante Rauchwolke der Explosion hatten einen enormen Lerneffekt für die Studierenden.
Kreative Materialbeschaffung
Doch damals war es gar nicht so leicht, die Fakultät zu überzeugen, dass der EWS erfolgreich sein und einen Mehrwert für die Studierenden bieten würde. Mithilfe der äußerst wohlwollenden Unterstützung unserer Alumni Dr. Albrecht und Frau Kunz aus dem Dekanat gelang es den drei Studierenden, die an der Gründung beteiligt waren, dennoch, das Projekt ins Leben zu rufen. Ralf und seine zwei Kommilitonen wurden somit die ersten Lehrkräfte und erweiterten das Team später sogar um zwei weitere Studierende.
„Nach Bewilligung der Mittel war die große Frage, wie man möglichst sparsam einen Vorrat an Standard-Materialien für die Arbeit anschaffen könnte. Das nächstgelegene Siemens-Werk sagte jedoch unserer „ungewöhnlichen“ Institution Unterstützung in Form von Rest-Material aus Serienproduktionen zu – zu unserer großen Überraschung. Auch Conrad Elektronik gewährte uns großzügige Rabatte.“
Um das Budget nicht zu sehr zu strapazieren, bedienten sich Ralf und seine Kommilitonen außerdem einer sehr kreativen Materialbeschaffungsmethode. „Eine kontinuierliche Quelle waren auch die Container für Elektronikschrott der Uni“, erzählt Ralf, „Einige Fundstücke stammten z.B. aus der Physik, andere waren eher undefinierbar. Vor allem aber wurden zu dieser Zeit einige historische Computer von der IT aussortiert. Lochkarten-Leser, Laufwerke für Magnetbänder und Monitore. Aber auch große Rechenschränke mit Röhren waren dabei. Überall fanden sich nutzbare Bauteile, die auf kreative Schaltungsideen warteten.“
„Oft waren es erst diese Bauteile, die die dazu führten, dass wir gewisse Schaltungen oder Experimente für die Studierenden entwickelten.“
Ein hohes Niveau im heutigen EWS
Lukas Nagel, einer der derzeitigen EWS-Betreuer, demonstriert Ralf ein aktuelles Projekt: den LED-Würfel. Der Würfel ist eine 8x8 LED-Matrix mit verschiedenen Modi: einem Sound Reactive Mode oder einem Modus, in dem Text und verschiedene Animationen angezeigt werden können. Gesteuert wird das Ganze über eine Webpage und wird lokal auf den Mikrocontroller verarbeitet – alles eigens gebaut und programmiert.
Das Niveau, auf dem heute gearbeitet wird, ist eine positive Überraschung für den Alumnus. „Damals war es bei weitem nicht so hoch. Ich bin beeindruckt und freue mich, dass es so engagierte Studierende gibt, die den EWS weiterführen.“, freut er sich, „Dass der EWS noch immer existiert und unsere Bemühungen in diesen Formen bis heute weitergeführt werden, zeigt mir, dass wir damals auf dem richtigen Weg waren – entgegen vieler anders lautender Prognosen. Das alles war nur möglich, weil sowohl beim EWS selbst als auch bei der Frauenförderung viele hilfreiche Hände zusammengearbeitet haben. Kurz nach der Eröffnung bekamen wir bereits die Anfrage, beim Girls‘ Day zu unterstützen.“
Was selbstverständlich auch passierte – die selbst gelöteten blinkenden Herzen begeistern bis heute. Mittlerweile ist der EWS nicht mehr von der Fakultät ETIT wegzudenken. Und das verdanken wir damals wie auch heute den engagierten Studierenden, die sich für die Weiterführung dieser Einrichtung einsetzen.